Ende September 2012 hatte ich erstmals Gelegenheit, die ehemalige Dreikreuzstraße in der heute polnischen Stadt Gubin zu besuchen. Es ist schon ein seltsames Gefühl, an einen Ort zu kommen, an dem die eigenen Vorfahren vor mehr als hundert Jahren gelebt haben. Dabei ist mir aber auch bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich über das Leben meiner Urgroßeltern Anton und Auguste Vogel weiß.
Ganz einfach war es nicht, die Dreikreuzstraße zu finden. Die heutigen polnischen Straßennamen haben keinen Bezug zu den alten deutschen Bezeichnungen. Durch den Vergleich eines Stadtplanes von 1920 mit dem heutigen Stadtplan von Gubin wußte ich, dass die Dreikreuzstraße heute ulica Kołłątaja heißt. Außerdem stehen an der Kreuzung mit der ehemaligen Pförtner Straße (heute: ulica Śląska) noch immer die drei Sühnekreuze, wie sie auch unter http://www.suehnekreuz.de/polen/lebus/gubin.htm beschrieben werden. Die Sühnekreuze sind gewissermaßen der „Namensgeber“. Als ich die Sühnekreuze gefunden hatte, war ich mir sicher, meine Suche an der richtigen Stelle fortsetzen zu können.
Natürlich wollte ich, in der Hoffnung, dass es noch steht, das Haus meiner Urgroßeltern (Dreikreuzstraße 2) aufsuchen. Im Stadtplan von 1920 sind leider keine Hausnummern eingetragen. So konnte ich nur spekulieren, dass die Hausnummerierung einfach beibehalten wurde: Die geraden Hausnummern befinden sich auf der einen Straßenseite, die ungeraden auf der anderen. Dieses System gilt heute noch Guben. Unter dieser Voraussetzung musste sich das Haus Nummer 2 direkt an der Einmündung in die Sommerfelder Straße (heute: Ulica Legnicka) befunden haben. Im September 2012 entstand das nachfolgende Foto:
Eine anschließende Suche in diversen Familienfotos förderte eine Aufnahme aus dem Sommer 1926 zutage. Damals hatte ein Hochwasser der Flüsse Neiße und Lubst auch die Dreikreuzstraße überflutet. Wer die Aufnahme anfertigte, ist nicht bekannt. Durch einen Vergleich mit dem obigen Foto wird aber deutlich, dass die Häuser Dreikreuzstraße 2 und 4 den Hintergrund bilden.
Ein Vergleich beider Aufnahmen zeigt, welche Umbauten das Haus Nr. 2 in den vergangenen Jahrzehnten erfuhr. Das betrifft vorrangig den Bereich über der Haustür sowie den Umbau des Obergeschosses.
Im Oktober 2013 war ich erneut in der Dreikreuzstraße und versuchte, für ein weiteres Foto den Standort der Aufnahme von 1926 zu finden. Daraus resultierte das folgende Bild:
Heute wohnen im Haus ul. Kołłątaja 2 wahrscheinlich 3 Familien. Bei einem der nächsten Besuche in Gubin werde ich versuchen, mit den heutigen Bewohnern in Kontakt zu kommen.
Meine Urgroßmutter Auguste Vogel wohnte noch 1910 in der Dreikreuzstraße 2. Außerdem wohnte dort Robert Schiller, Schlosser, mit seiner Familie. Robert Schiller hatte meine Großtante Anna, geb. Vogel, geheiratet. Bei einer genaueren Betrachtung des Hochwasserfotos kann man die Familie Schiller erkennen …
Im Adressbuch Gubens, Ausgabe 1930, werden als Bewohner genannt:
- Petersilie, Emil; Eisenbahn-Betriebs-Assistent
- Reiche, Max; Arbeiter
Diese persönliche „Begegnung mit der Vergangenheit“ habe ich zum Anlass genommen, um aus diversen, im Internet verfügbaren Gubener Adressbüchern die jeweiligen Bewohner der Dreikreuzstraße herauszusuchen. Dazu gibt es jeweils einzelne Seiten für die Jahre 1862, 1910 und 1930. – Natürlich kann man im Internet auch noch mehr Bilder aus dem alten Guben ansehen – viel Spaß beim Stöbern …
Noch eine Anmerkung: Im Historischen Kalendarium der Stadt Guben ist für den 14. August 1878 vermerkt: „Große Brandkatastrophe in der Gubener Dreikreuzstraße, die 21 Familien obdachlos machte.“ Ob davon auch die Familie Vogel in der Dreikreuzstraße 2 betroffen war?